Donnerstag, 6. September 2007

Tagebuch einer Reise durch Irland - Tag 6

Tag 6

Ich wachte langsam auf, in meinen warmen Daunenschlafsack gehüllt, den Kopf auf einer halbleeren, in einen Pullover gehüllten Plastikflasche. Ich öffnete meine Augen und sah:

Morgentau!

Die Zeltdecke war komplett nass, dafür war der Boden aber relativ trocken. Da das Zelt sehr niedrig war und ich ein großer Mensch bin schleifte ich beim Aufstehen mit Kopf und Schultern an der nassen Zeltdecke entlang. Dem Zelt entkommen, sah ich mich draußen beißender Kälte, und bald darauf auch beißenden kleinen Insekten ausgeliefert.
Wir haben gepackt so schnell es ging, noch ein paar Birnen geklaut und sind dann durch den dornigen schlammigen Weg zurück in die normale Welt.










Der Ort des Grauens. Auf der rechteckigen Fläche hinter Jan hat mein Zelt gestanden.










Ich vor dem „netten kleinen Baum“.

Als wir dann an dem „please close gate“-Gate standen sah Jan auf seinen Arm und bemerkte ein Zecke. Wir tauschten besorgte Blicke, zogen unsere Hemden aus und untersuchten uns gegenseitig: lauter Zecken. Große Zecken. Ich hatte knapp 10, Jan hatte sich unter seinem Tarp über 20 eingefangen.
Als ich Jan’s Hinterkopf untersuchte, keuchte ich entsetzt, als ich eine ganze Kolonie von Zecken hinter Jan’s linkem Ohr entdeckte, mindestens 7.

„Was? Was?!“

fragte Jan auf mein keuchen, Panik in den Augen. War natürlich nix weiter. Er hat sich dann aber an meinem Hinterkopf gerächt:

„Oh Goott!“
„Waas?!“

Als wir uns schließlich alle Zecken aus der Haut pinzettet hatten (Irgendwie beschränkten sich die Zecken glücklicherweise auf Gesicht und Oberkörper), machten wir uns auf den Weg. Einfach nur weg da.

Auf unserem Weg die Straße entlang wollte ich mich durch eine beinahe unnatürlich große, pralle Brombeere am Wegesrand für den schlechten Morgen entschädigen lassen, doch das „private property“-Gelände holte zum finalen Schlag aus: gleich zwei riesige Spinnen klebten an der Beere. Ich schätze nur Spinnenphobiker können nachempfinden was da in mir aufgewallt ist. Durch eine Ruckartige Zuckung mit dem ganzen Körper schleuderte ich die Brombeere zurück ins Gebüsch und mir entfuhr ein Aufschrei, der Entsetzen, Kontrollverlust und Wut auf das ganze verfluchte Gelände zum Ausdruck brachte.

Abgesehen von diesem Exemplar waren Brombeeren übrigens eine der tollsten Sachen an Irland. Die waren da überall am Straßenrand, wie um uns zu kräftigen und bei Laune zu halten. Wenn mal keiner gehalten hat, haben wir eigentlich ständig Brombeeren gegessen. Dabei haben wir uns überlegt, dass das bestimmt alle Tramper in Irland machen. Wir haben uns vorgestellt wie sich die Einheimischen Autofahrer wohl dabei amüsieren, die ganzen verloren aussehenden Leute mit brombeerverschmierten Gesichtern am Straßenrand zu beobachten.

Nach einer Weile hielt dann Jemand für uns, bei dem wir einfach schnell eingestiegen sind. Der Kerl der uns mitnahm stellte sich als ein mindestens 80 jähriger irischer Schäfer heraus und es stank bestialisch in dem Auto. Der Schäfer versuchte sich mit uns zu unterhalten, wir konnten aber kaum ein Wort verstehen. Jan saß vorne und hatte sichtliche Probleme sich zusammenzureißen. Ich sah ihn vor unterdrücktem Lachen zucken während der Schäfer auf ihn Einnuschelte. Ich machte mir wirklich Sorgen wie wir das überstehen sollten, der Schäfer fuhr nämlich die ganze Zeit 20 und wir hatten eine lange Strecke vor uns.
Ich weiß noch genau wie Jan sich immer wieder zu mir umgedreht hat und ich die Anstrengung nicht zu Lachen in seinem Gesicht sehen konnte. Das hat mich wirklich fertig gemacht und ich musste selbst anfangen leise zu Lachen. Das hat sich dann mit Jan’s Lachen immer weiter hochgeschaukelt, Mann war das schlimm. Es wurde noch schlimmer als Mir der Schäfer einen Packen Postkarten nach hinten reichte die er selbst gemacht hatte. Es waren hundert Stück mit 2 unterschiedlichen Motiven: einmal Schafe, einmal Steine. Ich konnte nicht mehr an mich hallten und hab versucht meinen Lachkrampf als heftiges Husten zu tarnen. Jan ging es nicht besser. Sobald wir einen Shop am Straßenrand entdeckt hatten, haben wir gemeint wir bräuchten dringend was zu Essen und sind ausgestiegen.

Wir standen dann schon wieder an der nicht-so-tollen Kreuzung deren Ortsschild wir gesteinigt hatten.











Die Stelle an der uns der Schäfer raus gelassen hat. Das Haus mit der offenen Tür ist der Shop. Die Kreuzung liegt „hinter dem Betrachter“.

Es hat ne Weile gedauert aber dann nahm uns wieder jemand mit. Es war ein (vermutlich) geschiedener Vater mit seiner ihm (vermutlich) kaum bekannten Tochter, die er mit auf eine Entdeckungstour durch Irland mitnahm auf der sie (vermutlich) 'einander entdecken' sollten. Sie waren in einer Art WohnVan unterwegs. Wir konnten nicht besonders viel reden weil wir hinten saßen, dafür konnten wir uns hinlegen und entspannen.

Wir wurden in Trelea abgesetzt, direkt in dem Einkaufsparadies-Distrikt und der war ziemlich hässlich. Aber: ein Einkaufsparadies. Wir sind dann gleich zu Tesco rein, haben uns herabgesetzte mini-Baguettes und herabgesetzte mini-Avocados gekauft und ein richtig leckeres Frühstück gehabt.

Danach sind wir zu Aldi, wo Jan, wie in einem billigen Misterythriller, einen Flashback in seine Vergangenheit hatte. In jenem Aldi hatte er nämlich letztes Jahr aus versehen seine großartige Karte liegen gelassen. Als er da dann wieder rein lief, war sie weg, aber eine nette Kassiererin hat ihm aus Mitleid ihre billige Karte geschenkt (ziemlich nett), die seit diesem Tag immer weiter auseinander fällt. Nach dem Flashback haben wir uns da Tortellini und Tomatensoße gekauft.

Der Lauf durch Trelea war so trist, dass wir angefangen haben uns über Blödsinn zu unterhalten. Nach einer Weile hat mich Jan gefragt was „awfull“ und was „awesome“ heißt, weil er Angst hatte das zu verwechseln, da es ja so ähnlich klingt. Erst da ist mir aufgefallen wie ähnlich sich diese völlig unterschiedlichen Wörter sind. Es wurde dann zu einer Art running-Gag absurde Verwechslungsszenarien mit den beiden Wörtern zu Erfinden:

Jemand hat z.B. was Beeindruckendes gemacht, und du gehst auf ihn zu und sagst „man that was awfull! Yeah! Fuckin awfull man! High five!“.

Oder jemand erzählt dir vom Tod seiner Eltern und du meinst „Oh man… that’s awesome… You know my parents died too and… it was just so awesome…“

Als wir dann wieder an irgendeiner Tankstelle angekommen waren hat uns relativ schnell eine ziemlich coole englische Mutter mitgenommen. Sie meinte sie hätte für uns angehalten weil wir so harmlos aussähen. Diesmal saß ich vorne und hatte ein wirklich angenehmes Gespräch über gute Musik, die Popularität von Engländern und den Strand zu dem wir fuhren. Sie kannte da eine gute Stelle zum Campen, direkt am Meer, und ist für uns extra dahin gefahren! Wir haben uns dann sehr nett verabschiedet und sie hat uns noch Kaugummis geschenkt (…wie taktvoll).

Am strand gab es eine „Masterkabin“ mit Toiletten und Waschbecken für unseren Wasserbedarf. Mit frischem Wasser sind wir dann zum Strand und es war einfach großartig. Wir haben viele Fotos gemacht (das sind nur einige):











Jan Vor der See.

Ich vor der See. Die Steine haben eine Art Abhang gebildet, beim Wasser war Sand.

Welch ein Schnappschuss! Zum Glück wollte ich Jan grade aufs Meer hinweisen.














Da hat Jan die Belichtungszeit hochgesezt & die Sonne herbeigezaubert. Die Realität lag irgendwo zwischen diesem und den anderen Fotos.

Die Landschaft die wir im Rücken hatten.

Wir hatten keine Badehosen dabei. Haben daher kurz gezögert und sind dann mit Unterhose ins Wasser. Das Wasser war relativ kalt aber das machte in dem Moment wirklich nix. Im Wasser haben wir uns Shampoo in die Haare geschmiert und uns von den Wellen die Haare waschen lassen.

Das war wirklich ein toller Abend und das Tief vom Morgen machte das ganze eigentlich nur besser. Danach sind wir ein wenig durch die Landschaft gejoggt und haben nach Stöckern für’s Tarp gesucht und wieder welche gefunden. Abends haben wir uns dann die Tortellini von Aldi gemacht und entspannt am Strand geraucht.
War ein echt netter Abend.

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